Gedenkkonzert

Messa da Requiem


»Das Verdi-Requiem berührt meine Seele und berührt die Seelen der Zuhörer.«

Daniele Gatti gastiert im Jahr 2000 erstmalig bei der Staatskapelle, fünf Jahre später dirigiert er »Messa da Requiem« von Giuseppe Verdi. Jetzt – genau zwanzig Jahre später – steht er als Chefdirigent erneut am Pult und leitet eben jenes Konzert, das bei dem Dresdner Publikum Erinnerungen an schmerzhafte Zäsuren in Lebenslinien und brüchige Familienchroniken hervorruft. Ein zutiefst persönliches Konzert, das die Stadtgeschichte sowie den Wiederaufbau Dresdens seit nunmehr 74 Jahren begleitet. 

»Eine der großartigsten Kompositionen der Welt von einem der großartigsten Komponisten aller Zeiten.«

Gemeinsam mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden wird Gatti am 12. sowie am 13. Februar 2025 Giuseppe Verdis »Messa da Requiem« zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 aufführen und knüpft damit an eine in Dresden tief verwurzelte Tradition an. Ihren Ursprung nahm diese besondere Form des Gedenkens am 13. Februar 1951, als Rudolf Kempe erstmals Giuseppe Verdis »Messa da Requiem« dirigierte, um an die verheerende Bombardierung Dresdens im Februar 1945 zu erinnern. Die Aufführung im Schauspielhaus hinterließ bei den Zuhörern einen bleibenden Eindruck, am Ende herrschte ergriffene Stille. Dieser Moment der Andacht prägt die Konzerte bis heute: Auf Applaus wird verzichtet, und die Aufführungen enden stets mit einer Schweigeminute. 

»Über Verdis Requiem zu sprechen, ist ein besonders heikles Unterfangen, noch dazu an einem so dramatischen Jahrestag wie dem der Bombardierung der Stadt Dresden. Zunächst einmal hat man es mit einem Werk zu tun, das aus dem innigen Wunsch des Komponisten entstanden ist, der Figur eines anderen großen Künstlers zu huldigen: Alessandro Manzoni. Und so wird es zu einer sehr persönlichen Angelegenheit, die möglichen Gründe zu untersuchen, die Verdi zu einer solchen Entscheidung führten. Vielleicht können wir es auch nur erahnen: Verdis nahezu religiös anmutender Respekt für Manzoni, vielleicht die einzige Persönlichkeit, die ihn in Ehrfurcht versetzen konnte. Und die Verehrung für seinen Roman ‘I promessi sposi‘, den Verdi mehrmals gelesen hat.«

Die Entstehungsgeschichte des Werkes ist insofern bemerkenswert, da es nicht für die Kirche, sondern für den Konzertsaal konzipiert wurde. Als Gioacchino Rossini im November 1868 starb, schlug Verdi vor, dass die besten Komponisten Italiens gemeinsam ein Requiem schreiben sollten. Er selbst steuerte das abschließende »Libera me« bei. Obwohl diese »Messa per Rossini« vollendet wurde, kam die für den ersten Todestag geplante Aufführung jedoch nie zustande.

Zwei Jahre später geriet das Projekt der »Messa per Rossini« erneut in den Fokus. Anlässlich der Einweihung einer Rossini-Büste in der Mailänder Scala prüfte eine Kommission das Werk, empfahl aber, es nicht aufzuführen. Alberto Mazucato, der Direktor des Mailänder Konservatoriums, drängte Verdi jedoch energisch, den von ihm komponierten Teil eigenständig zu erweitern. Er argumentierte, dass das vorhandene Material bei weiterer Ausarbeitung ein starkes Fundament für ein vollständiges Werk bilden würde.

Ein passender Anlass zur Vollendung des Requiems ließ nicht lange auf sich warten. Am 22. Mai 1873 verstarb der italienische Nationaldichter Alessandro Manzoni. Ähnlich wie Verdi war Schriftsteller eher Agnostiker als gläubiger Katholik, doch die tiefere Verbindung zwischen beiden Männern lag in ihrer gemeinsamen Hingabe für die Einigung Italiens. Vor allem darum setzte Verdi umgehend Mazucatos Plan um: Er überarbeitete das »Libera me« und schuf nun ein vollständiges Requiem.

Der Text der Totenmesse, nach ihrem Eröffnungswort als »Requiem« benannt, hatte bereits Komponisten wie Mozart, Cherubini und Berlioz zu ergreifenden Vertonungen inspiriert. Auch für Verdi ist sein Requiem Ausdruck tiefer, persönlicher Religiosität. In seiner Vertonung tritt die eindringliche Botschaft des Textes in den Vordergrund: die Demut vor der Unausweichlichkeit des Todes, das Schuldbewusstsein gegenüber einer Macht, die über Leben und Tod entscheidet, und die unerschütterliche Hoffnung auf Erlösung, die durch Gebete erlangt werden kann.

»Werde ich das Requiem so dirigieren, wie vor 20 Jahren? Nein, das werde ich nicht. Denn 20 Jahre bedeuten auch 20 Jahre mehr Lebenserfahrung, Freude wie auch Schmerz.«

Der Schlussteil des Requiems bietet faszinierende Kontraste: Zunächst bricht der Schrecken des »Dies irae« erneut herein, bevor das Werk mit einem fast unhörbar leise gehauchten »Libera me« endet. Musikalisch ist dies zweifellos ein kraftvolles Zeichen der Versöhnung, der Mahnung und der Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben – Werte, die auch am Dresdner Gedenktag bis heute eine zentrale Rolle spielen. 

»Aber hören wir, wie Verdi diese letzte intensive, pessimistische Seite mit einem bedrohlichen C-Dur-Akkord beendet: Ein Licht? Eine Hoffnung? Eine Gewissheit?«

Hagen Kunze und Julia Gläßer

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