am Pult
Vom Bogen zum Taktstock
Petr Popelka kehrt nach mehr als vier Jahren für das 5. Sinfoniekonzert an seine frühere Wirkungsstätte zurück. Doch diesmal tritt er nicht wie von 2010 bis 2020 als Mitglied der Sächsischen Staatskapelle auf, sondern in der Rolle des Dirigenten. Viele Konzertbesucher dürften sich noch an den dunkelhaarigen Musiker erinnern, der bereits im Alter von 24 Jahren stellvertretender Solokontrabassist wurde. Hellwach wirkte er stets – selbst dann, wenn sein Instrument Pause hatte. Dann hatte er sich die Partitur auf das Notenpult gelegt, um die Musik besser nachvollziehen zu können und von den großen Dirigenten zu lernen.
Dass Popelka irgendwann die Seiten wechseln würde, zeichnete sich spätestens ab, als er die Leitung der »kapelle 21« übernahm – eines Zusammenschlusses engagierter Kapellmitglieder, die neue Musik aufführten. Ein paar glückliche Zufälle, kombiniert mit seinem unermüdlichen Einsatz, führten schnell zu ersten Engagements bei renommierten Orchestern. Der bisherige Höhepunkt in Dresden war zweifellos, als er vor zwei Jahren Schostakowitschs Oper »Die Nase« dirigieren durfte. Die Musik des russischen Komponisten gehört zu Popelkas persönlichen Favoriten, und es ist kein Zufall, dass er sich nun auch mit einem russischen Programm vorstellt.
Wie rasant sich Popelkas Karriere entwickeln würde, war kaum vorherzusehen, als er im Sommer 2020 seine erste Chefposition übernahm: Das Norwegische Rundfunkorchester bot ihm nach einer erfolgreichen Tournee die Stelle an. Kurz darauf folgte eine Anfrage des Prager Rundfunkorchesters. Der nächste Meilenstein ließ nicht lange auf sich warten: Im Juni 2023 wurde bekannt gegeben, dass Popelka als Nachfolger von Andres Orozco-Estrada die Position des Chefdirigenten bei den Wiener Symphonikern übernehmen würde. Damit war endgültig klar, dass er in Rekordzeit den Weg in die internationale Elite eingeschlagen hatte.
Im Zusammenhang mit seinem Amtsantritt in Wien wurde der 38-jährige Petr Popelka oft als »Shootingstar« bezeichnet – ein Etikett, mit dem er jedoch wenig anfangen kann. »Das hat mit dem, was ich mache, wenig zu tun«, erklärte er in einem Interview. Oft betont er, dass die Zeit der autoritären Kapellmeister, die er in seinen ersten Jahren beim Prager Rundfunkorchester noch erlebt habe, längst vorbei sei. Sein eigener Ansatz hingegen steht für eine moderne, partnerschaftliche Führung, die mehr auf Zusammenarbeit und künstlerischen Austausch als auf strenge Hierarchien setzt.
Hagen Kunze